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Verhalten bei der Vergiftung von Bienen

Zweifelsfrei dokumentierte Schäden an Bienenvölkern sind glücklicherweise eher selten, ca. 150 bis 200 Fälle sind es bundesweit jährlich. Wie hoch dabei die Dunkelziffer von nicht erkannten oder nicht angezeigten Fällen ist, ist naturgemäß schwer zu schätzen. Allerdings wird von Imkerinnen und Imkern des Öfteren berichtet, das sie den Eindruck hatten, dass ihre Völker von Gift geschädigt wurden. Eine Dokumentation der Symtome und Aufklärung der Ursachen wurde jedoch dann aus Unsicherheit über die richtige Vorgehensweise unterlassen.
 
Hier deshalb einige Informationen zur Vorgehensweise:
 
1. Das Erkennen von Vergiftungen.
 
Schon das Erkennen einer Vergiftung kannn schwierig sein.

 

Der "Idealfall" ist, wenn der Imker zum Zeitpunkt der Schädigung oder kurz danach am Bienenstand ist und den Schaden unmittelbar bemerkt. Wenn die Vergiftung unmittelbar zu massivem Bienensterben führt, tritt sofort ein starker Totenfall auf, der sich z.B. durch einen "Teppich"  toter und sterbender Bienen vor den Bienenstöcken äußert. So wie bei dem auf den Bildern dokumentierten Fall. Das Bild der toten Bienen entwickelte sich innerhalb einer Stunde während der Anwesenheit des Imkers auf dem Stand. (Als Ursache konnte ein Spritzmittel-Einsatz gegen Läuse in einem blühenden Bohnenfeld zur Flugzeit ermittelt werden.)
 
Dazu kommen dann oft noch kämpfende Bienen an den Fluglöchern, denn die Wächterbienen verwehren den heimkehrenden Sammlerinen den Einlass, da sie durch den Kontakt mit dem Gift einen Stockfremden Geruch haben.
 (In einem von mir beobachteten Fall, lagen auch innerhalb der Beute, z.B.  auf dem Absperrgitter, viele tote Bienen.)
 
In einem solchen Fall plötzlichen, massiven Totenfalls spricht Einiges dafür, dass der Schaden durch ein starkes, sofort wirkendes Gift hervorgerufen wird. Dann ist es sinnvoll sofort in der Umgebung nach aktuellen Vergiftungsmöglichkeiten wie Pflanzenschutzmaßnahmen in Kulturen mit blühenden Pflanzen zu suchen. Eventuell sieht man den Verursacher noch bei der Arbeit.
 
Es gibt aber auch Fälle, in denen kein massiver Totenfall auffällt.  
Indizien für eine Vergiftung können dann z.B. nur kämpfende Bienen am Stockeingang und am Boden vor der Beute sein. Auch auffälliges Verhalten der Bienen wie Krampfen oder Zittern kann ein Hinweis sein.
 
Diese Symtome sind jedoch unsicher, da sie ihre Ursache auch in einer Räuberei oder in verschiedenen Erkrankungen der Bienen haben können. Der gewissenhafte Imker wird, wenn er die Symptome nicht einordnen kann, einen Bienensachverständigen um Begutachtung bitten. Schwieriger wird das Erkennen der Vergiftung, wenn der Imker erst zu einem späteren Zeitpunkt die Völker besucht, dann hat sich das Verhalten der Bienen wieder normalisiert.
 
Auch der Totenfall läßt sich oft schwer einschätzen:
 
Tote Bienen vor der Beute sind oft schwer erkennbar, insbesondere bei hohem Gras. Tote Bienen könnten auch bereits von anderen Tieren(Vögeln) gefressen worden sein. Nach einigen fluglosen Tagen(schlechtes Wetter) könnten die Bienen schlagartig viele verstorbene Bienen aus dem Stock räumen und so den Eindruck verstärkten Totenfalls erwecken. (Wenn in einem Volk im Mai, Juni pro Tag 2000 Bienen geboren werden, sterben auch 2000 Bienen pro Tag. Normalerweise verlässt die Mehrzahl der Bienen den Stock zum sterben, bei schlechten Wetter geschieht das seltener.)
 
Ein Indiz kann sein, wenn die Bienenmasse im Stock zu gering erscheint, aber dann könnte auch ein Schwarm die Ursache gewesen sein. Andererseits kann ein Bienenvolk einen gewissen Verlust an Bienen schnell kompensieren, so das z.B. am Flugbild kein Unterschied erkennbar ist.
 
(Entgegen der landläufigen Meinung sind z.B. nicht alle Bienen ständig mit dem Sammeln von Nektar und Pollen beschäftigt. Viele Bienen widmen sich z.B. auch der Brutpflege, viele Bienen gehen aber auch keiner Beschäftigung nach und dienen dem Volk als Reserve, wenn es z.B. infolge plötzlichen schlechten Wetters zu einem Verlust der Flugbienen kommt.)
 
Ebenso könnten Veränderungen, Schäden an der Brut (Brutlücken) oder schlechte Entwicklung der Völker ein Indiz für eine Vergiftung sein. Aber diese Auffälligkeiten könnten auch durch Bienenkrankheiten hervorgerufen werden.  Hierbei kann ein Bienensachverständiger den Imker bei der Beurteilung unterstützen.
 
 
2. Vorgehensweise bei Verdacht auf Vergiftung.
 
Bei einem Verdacht auf Vergiftung eines Bienenvolkes kann der Imker eine kostenlose Untersuchung durch das Julius-Kühn-Institut vornehmen lassen. Daran sind jedoch gewisse Voraussetzungen geknüpft:
 
Grundsätzlich ist die Untersuchung von einem Veterinäramt oder Bienensachverständigen (BSV) zu beantragen. Damit soll sichergestellt werden, dass nur in begründeten Verdachtsfällen eine aufwendige Untersuchung im Labor veranlasst wird. Ebenso soll sichergestellt werden, dass die Proben in ausreichender Menge und Qualität gesammelt und fachgerecht versandt werden. 

Bei einem Verdacht auf Vergiftung muss der Imker daher unverzüglich einen BSV an den Stand bitten. Dieser wird als Erstes die Bienenvölker auf Anzeichen von Vergiftungen untersuchen. Außerdem wird er ein Augenmerk auf andere Bienenkrankheiten haben um alle möglichen anderen Ursachen für die beobachteten Symtome ausschließen zu können. Das kann manchmal, gerade bei schwachen Symtomen, sehr schwierig sein. Erst wenn der BSV zu dem Schluss gelangt, dass alle Anzeichen für eine Vergiftung vorliegen und eine Untersuchung erfolgreich sein könnte, wird er einen Antrag auf Untersuchung der Bienen durch das Julius-Kühn-Institut stellen.

 Das Formblatt für den Antrag auf Untersuchung muss dazu mit allen nötigen Angaben versehen werden.

3. Beweissicherung

Hilfestellung dazu und zur Beweissicherung, insbesondere zur Anforderung an die Bienen- und Pflanzenproben, gibt ein ein Merkblatt zur Beweissicherung.

4. Dokumentation
 
Generell gilt, dass sehr sorgfältig gearbeitet weden muss und so Vieles wie möglich dokumentiert wird. Sehr gut und einfach ist es, alles was einem wichtig (oder auch unwichtig erscheint) mit einer Kamera im Bild fest zu halten. Dazu dann Lageskizzen des Bienenstandes und eventueller Kulturen anfertigen und Zeugenaussagen von unbeteiligten Personen dokumentieren. Der Imker und der BSV müssen sich immer vergegenwärtigen, dass ihre Vorgehensweise eventuell später in einem Prozess untersucht werden könnte. Auch wenn z.B. "nur" ein Bienenvolk geschädigt ist, können für den Verursacher der Vergiftung durch Schadensersatz, Bußgeld und Kürzung von Subventionen leicht bedeutende Summen auf dem Spiel stehen. Dass derjenige dann die Beweissicherung in Frage stellt, dürfte verständlich sein.
 
5. Suche nach der Herkunft des Giftes
 
Sind sich die Beteiligten einig, dass eine Vergiftung wahrscheinlich ist, sollte versucht werden, den Ursprung des Giftes zu finden. Dies kann sich, je nach Spurenlage und örtlicher Situation, zu einem wahren Detektivspiel entwickeln. Relativ einfach ist es, wenn der Verursacher noch mit der rauchenden Waffe in der Hand, also mit der Spritze in der behandelten Kultur angetroffen wird. Das ist aber sehr selten der Fall. Im Gegenteil, Imker und BSV, sollten sich vor einer zu schnellen Festlegung auf eine mögliche Quelle und Täter hüten.
 
Als ersten Schritt ist immer die Zuziehung des zuständigen Pflanzenschutzberaters(bei der Landwirtschaftskammer erfragen) nötig. Diesem ist bekannt, welche Kulturen zum Zeitpunkt der Schädigung mit welchen Mitteln behandelt werden und kann somit die Suche schon einmal eingrenzen, bzw. wichtige Hinweise geben. Außerdem ist er alleine befugt, fremde Grundstücke zu betreten und Pflanzenproben zu nehmen. Das ist sehr wichtig für die Beweissicherung. Eine erste Hilfe, den möglichen Bereich der Vergiftung einzugrenzen ist auch, sich über das Nahrungsangebot der Bienen im Flugkreis einen Überblick zu verschaffen.

Auf dieser Seite geben wir hierzu eine Anleitung. Mittels des Flugkreisrechners kann man sich ein Bild der Umgebung machen und potentielle "gefährliche" oder "ungefährliche" Flächen erkennen. Ein sehr wichtiger Hinweis können eventuell Pollenhöschen oder Pollen im Haarkleid der toten Bienen liefern. Die Farbe kann erste Hinweise auf beflogene Pflanzen geben, eventuell gibt es zusätzliche Hinweise wie das "Rapszeichen". 

Des weiteren gibt es vom Bieneninstitut in Celle einen 24 Stunden Service zur Pollen-Schnellanalyse. Damit lässt sich schnell die besuchte Kultur feststellen.
 
Als Vergiftungsquelle in Frage kommen alle von Bienen beflogenen Flächen:
 
-nicht nur die ins Auge springenden Blütenflächen,
 
-sondern auch Kulturen, in denen nur wenige Unkräuter blühen,
 
-oder in denen z.B. Läuse einen für die Bienen attraktiven zuckerhaltigen Saft absondern.
 
-oder Kulturen mit ganz unauffälligen Blüten wie z.B. Spargel.
 
-oder einfach nur Wasserpfützen, an denen Bienenvölker ihren Wasserbedarf decken.
 
-auch Kulturen, die nicht als besondere Bienenweide bekannt sind, wie z.B. Erdbeeren, Wein, Mais, sollten nicht vergessen werden.
 
Ist eine Kultur in Verdacht geraten, sammelt und kennzeichnet der Pflanzenschutzbeauftragte entsprechend der Anleitung Proben für die Untersuchung durch das Julius-Kühn-Institut.
 
Auch hierbei sollte das Vorgehen mit Bildern dokumentiert werden. Insbesondere wenn möglich den Bienenbeflug der Flächen dokumentieren. Ebenso Indizien für eine Behandlung wie z.B. frische Fahrspuren in den Fahrgassen und/oder Aussagen von Zeugen. Sind alle diese Arbeiten erledigt, müssen die Bienen- und Pflanzenproben schnellstmöglich in optimalen Zustand zum Juklius-Kühn- Institut gelangen. Auch dazu gibt die Anleitung Hinweise.
 
Aus persönlicher Erfahrung ist dieser Punkt besonders wichtig. Viele Pflanzenschutzmittel zersetzen sich innerhalb kurzer Zeit und sind dann nicht mehr nachweisbar. (In einem Vergiftungsfall haben wir das Bienenmaterial zur Lagerung über das Wochende in zwei Proben geteilt und eine Probe im Gefrierbeutel im Kühlschrank aufbewahrt und die andere (wie in vielen Büchern geraten) luftig in einer Schachtel. Bei der Untersuchung konnte nur noch in der gekühlten Bienenprobe das Gift nachgewiesen werden.)

6. Ersatz des Schadens

Ist der Imker oder die Imkerin Mitglied in einem Imkerverein, sind sie über eine Versicherung gegen Vergiftungsschäden versichert. Dazu müssen jedoch die zusätzlichen Anforderungen der Versicherung beachtet werden. Eine Anleitung zu den Anforderungen der Versicherung findet sich hier.

U.a. müssen folgende Formulare ausgefüllt und über den Landesverband an die Versicherung weitergeleitet werden.

- Der Vorsitzende des Imkervereins in dessen Gebiet der Schaden festgestellt wird muss eine Schadensanzeige für die Versicherung ausfüllen.

- Der Vorsitzende des Imkervereins in dessen Gebiet der Schaden festgestellt wird muss ein Gutachten über den Umfang des Schadens erstellen.

Wichtig sind hierbei die von der Versicherung vorgeschriebenen Fristen:

- innerhalb von 3 Tagen nach Feststellung des Schadens muss  der Vorsitzende informiert werden.

- innerhalb von 3 Monaten muss die Meldung bei dem Versicherer eingehen.

- innerhalb von 3 Tagen muss Anzeige bei der Polizei gegen den Verursacher oder Unbekannt erstattet werden.

Der letzte Punkt, die Anzeige bei der Polizei, wird erfahrungsgemäß von vielen Geschädigten nur ungern gemacht oder ganz unterlassen. Hintergrund ist oft, gerade im ländlichen Bereich, die Bekanntschaft oder Nachbarschaft mit einem mutmaßlichen Verursacher. Die Imkerin oder der Imker befürchtet angesichts der möglichen finanziellen Folgen für den Verursacher weitergehende Streitigkeiten und eine Verschlechterung der Beziehungen.
 
Wenn daher die Meldung bei der Versicherung unterbleibt, kann davon unberührt trotzdem die Dokumentation und kostenlose Untersuchung der Schadensursache durch den BSV und das Julius-Kühn Institut erfolgen. Wie mir mal ein Imker in einem solchen Fall sagte:  "Ich wollte keinen Ärger mit dem Landwirt und habe auf eine Anzeige verzichtet, aber ich bin dann mit dem positiven Bericht des Julius-Kühn Institut zu ihm hin und habe ihm das Ergebnis gezeigt. Ich denke, das wird ihn schon nachdenklich und vorsichtiger machen."
 
Als Fazit möchte ich festhalten:
 
Zusammenfassend kann nur allen Imkerinnen und Imkern bei einem Vergiftungsverdacht geraten werden, mit sachverständiger Hilfe eine Aufklärung zu versuchen. Wichtig ist dabei, sich nicht zu früh festzulegen sondern offen für alle möglichen Ursachen zu sein.
 
Wie oben erwähnt, können viele scheinbare Vergiftungssymtome ihre Ursache in "natürlichen" Erkrankungen haben. 
Und bei Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel liegt die Ursache in der Regel nicht in der sachgerechten Anwendung der Mittel, sondern darin, dass der Anwender Fehler gemacht hat, oder das ganz besondere Umstände zusammengetroffen sind, die vorher von Anwendern, Herstellern oder Zulassungsbehörden nicht bedacht wurden.
 
Beispiele aus der Vergangenheit sind z.B. die Vergiftungsfälle durch Maisbeize, Kartoffelbeize, Vergiftungen im Weinbau, etc. Gerade in solchen, ungewöhnlichen Fällen war eine eine gute Untersuchung und Dokumentation der Schadensursache wichtig, um Schäden für die Zukunft zu verhindern.
 
Daher gilt: Egal ob als Ursache eine Bienenkrankheit oder wirklich eine Vergiftung diagnostiziert wird, Gewinner sind immer unsere Bienen. Im ersteren Fall wird der Imker in die Lage versetzt, sachgerecht auf die Symtome zu reagieren und seinen Bienen zu helfen, im zweiten Fall werden Maßnahmen ergriffen, um eine Wiederholung zu verhindern.
 
Von daher sollte jede Imkerin und jeder Imker immer versuchen, Auffälligkeiten bei den Völker abklären zu lassen und nicht vor dem Aufwand zurück zu schrecken.
 
Zur Vorbereitung sollten die Formulare:

Merkblatt zur Beweissicherung. 

Antrag auf Untersuchung

Anleitung zu den Anforderungen der Versicherung

Schadensanzeige für die Versicherung

Gutachten über den Umfang des Schadens

ausgedruckt werden und zusammen mit der Telefonnummer des BSV griffbereit bereit gelegt werden.

 

Text: Hubert Reppenhorst